Freitag, 26. September 2014

Im Andenken an Ailo Gaup


An dieser Stelle möchte ich auf den Bericht über ein interessantes Seminar mit Ailo Gaup hinweisen, welches 1997 in der Schweiz stattfand.

Ich kannte den wunderbaren schamanischen Roman "Der Noaide" von Ailo Gaup und lernte ihn an jenem Seminar persönlich kennen.  Mich hat an diesem Menschen seine Bescheidenheit und seine grosse Kraft beeindruckt. Er zeigte uns nebst vielem Anderem die wundervolle Heilkraft des heiligen Clowns. Und er überraschte uns fortlaufend, indem er uns immer weider "den Teppich unter den Füssen wegzog". Unter den vielen weltlichen Lehrerinnen und Lehrern, die ich im schamanischen Umfeld traf, war er mir ein besonders leuchtendes Vorbild.

Nun, lest selbst:

Ailo Gaup in der Schweiz

Ailo Gaup, der bekannte samische Schamane und Schriftsteller, hat im September 1997 an seinem Seminar in der Schweiz vieles aus der Kultur seiner Heimat mitgebracht.

"In der samischen Tradition kennen wir nicht Götter oder Göttinnen. Wir haben eine verwandtschaftliche Beziehung zu den Kräften der Natur und des Universums".

Diese Weltanschauung ist typisch für die ursprünglichen schamanischen Kulturen. So hat in den nördlichen Gebieten von Europa eine alte schamanische Tradition bis heute überlebt.

Das Seminar mit Ailo Gaup steckte voller Überraschungen. Niemand wusste, was uns erwartete und viele TeilnehmerInnen mussten vertraute Vorstellungen loslassen und konnten sich an Neuem versuchen.

Ailo sprach klar und mit Pausen, in denen sich die Energie im Raum statig erhöhte. Einzelne Sätze gingen in Gesang über - "Gesang trägt die Kraft der Worte direkt zum Herzen...". Singen und getanzte Gestik erschufen denn auch eine spezielle Stimmung der Poesie und dazwischen die sanfte Kraft der Stille. Plötzlich - uns aus einem immer mehr schwebenden Zustand auf die Erde zurückholend - ertönte ein lautes Lachen von Ailo; einLachen, welches durch die Kraft im Kreis übersprang von einem Teilnehmer zum andern. Wir erlebten ein Lachen ohne Witz, ein heiliges Lachen aus sich heraus, welches uns in einen ganz speziellen Zustand der Ekstase versetzte - an einen Ort, den die Sami "saiwo" (heilig) nennen. So erlebten wir eine in allen Traditionen sehr wichtige Rolle des Schamanen, diejenige des Clowns.

In frühen Kulturen ohne Radio und Fernsehen, ohne Auto und Flugzeuglärm, war der Klang der Trommel etwas Ungewohntes, welches dadurch dem Menschen den Zugangs zu anderen Erfahrungsebenen erleichterte. Heute ist unsere Welt voller Geräusche und Lärm, da ist es die Stille, welche für uns ungewohnt ist. Ailo machte spärlich von der Trommel gebrauch und gab uns Gelegenheit, uns der besonderen Kraft der Stille bewusst zu werden und sie zu nutzen, wie wir bisher die Trommel genutzt hatten.

Wichtiges Thema war das Schärfen der Sinne, um inneres und äusseres Gleichgewicht zu finden. Durch starke und teils für uns ungewohnte Imaginationen, durch Singen und Tanzen suchten wir dieses Gleichgewicht in uns, um aus diesem heraus neue Arten schamanischer Aktionen zu erleben. Einige Aspekte, die Ailo erläuterte, hatten starke Parallelen zum toltekischen Schamanismus. Andere wiederum schienen uns wohlbekannt und waren trotzdem voller Überraschungen.

Es war ein Seminar in einer starken und doch sanften und liebevollen Kraft von Heiterkeit und meditativer Ekstase.

Bernhard

"Für mich ist das Wort Schamanismus zu klein, zu eingengend. Der Schamane ist zwar neu erwacht, muss aber noch zu etwas Umfassenderem werden. Schamanismus ist keine Technik, es ist ein Prozess, ein Lernprozess. Ich wünsche mir, dass die schamanische Weltsicht expandiert, dass sich die geistige und die körperliche Energie vereinigen."

Ailo

Dieser Bericht ist in der KREISZEIT Nr. 15 von 1998 erschienen und nun publiziert auf
www.dreiwelten.ch unter "Beiträge".

Barlok

Dienstag, 23. September 2014

HERBST


Der Abend wird kühler und feuchter der Morgen
Herbst hat die ersten Pinselstriche über die Bäume gelegt
Die Blütenpracht im Garten ist verwelkt
Sie findet ihr Echo bald im herbstlichen Festkleid der Bäume
Wenn die schwere Frucht fällt und die Baumsamen herabschweben
Sich in die Erde zu legen für neues Leben
Dann beginnt der feierliche Tanz der Natur
Farbenfroh eingekleidet Strauch und Baum
Ein letztes Fest dem vollendeten Wachsen zu Ehren
Um sich dann nach innen zu wenden
Wenn das grosse, dunkle Innehalten beginnt
Die Kräfte vom Aussen nach innen strömen
Im Menschen uraltes Bangen dräut
Und das Tier seine Höhle aufsucht
Dann beginnt die grosse Zeit der Mondin Kraft
Dann schauen wir zurück und ordnen das Gewesene
Lassen das Überflüssige los und reihen Aufzuhebendes ein
Lasst uns mit farbigem Gesang, der Bäume gleich
Und mit Tanz diese Zeit feiern
Um dann freudig innehalten, um die Kräfte zu sammeln
Für den neuerlichen Kreis des Lebens

23. September 2014 / Bär

Montag, 24. März 2014

Der Schützer



Heisse Wut streicht ihm den Rücken herauf, packt ihn an den Schultern
Die kalte Morgenluft ströhmt durch seine Nase, füllt seine Lungen
die mächtige Brust hebt sich
berstende Kraft fährt durch seine Arme, ballt seine Fäuste
Stille
eisig klar streift sein Blick über das Land
im Ohr ein leiser Gesang von Seidenhaar
verharrt er und lauscht
dann reisst er den Kopf hoch
tritt hinaus vor das Tor, dem Mob entgeben
Gebrüll schlägt ihm entgegen und das Klirren von Waffen
langsam zieht er seinen schweren Streitkolben von der Hüfte
ein dröhnendes Knurren verlässt seine Kehle und er stürmt voran
sein schwerer Kolben schmettert
und unbarmherzig pflügt er die Angreifer nieder
einen nach dem andern
bis das Genöhle des Mob verstummt ist und einem Stöhnen und Ächzen Platz gemacht hat
Restwut stösst er mit einem schweren Atemzug aus
an einem Baum schlägt er das Blut von seinem Streitkolben
und kehrt zurück hinter die Palisaden
Ruhe ist nun im Dorfe
Sicherheit ist wieder entstanden
ängstlich schauen einige Bewohner aus ihren Hütten
er aber tritt mit festem Schritt den Weg zu seiner Hütte an
es drängt ihn hin zu seiner Heimstatt die er verteidigt hat
hin in die Wärme seines Feuers
hin in die Geborgenheit seiner Frau
hin in die leuchtende Schönheit der Zweisamkeit mit Seidenhaar
dort ist die Quelle seiner Kraft
dort ist das Fundament seines Mutes
die Mitte seines Lebens
und einmal mehr
hat er erfolgreich bestanden
lässt sich nun fallen
in den Schoss der Lebensbringerin
und draussen erwacht der Tag

Bär // 25 Feb 2012

Sonntag, 26. Januar 2014

Gedanken zu Leben und Tod


(zum frühen Hinschied meiner Schwester)

Das Loch - das der Tod eines Menschen bei den Hinterbliebenen hinterlässt, schmerzt. Es wirkt uns bedrohlich, wir empfinden es als einen Fehler. Es sollte nicht sein.
Doch dieses Loch bietet auch die Chance, dass wir es wieder neu füllen. Mit neuem Leben, mit neuen Beziehungen. Es ist wie ein frisch gepflügter Acker in den wir bloss zu säen brauchen. Wenn wir uns aber ob der Fruchtlosigkeit des gepflügten und unbesäten Ackers grämen, dann wird er für immer so bleiben, zerbröseln und zerfallen.

Der Tod und das Sterben
Wenn wir den Tod als eine Geburt in ein anderes Leben betrachten, dann bekommt auch das Sterben eine andere Bedeutung. Da Sterben oft mit Leiden und Schmerzen begleitet ist, so könnte man dies doch auch als Geburtswehen hin auf die Geburt in das Lichtreich sehen. Auf diese Weise bekommt das Sterben eine völlig andere Bedeutung. Es nimmt nicht den Schmerz weg, aber die Hoffnung darin macht es leichter ihn zu ertragen.

Die Ungewissheit
Die Angst vor dem Tode rührt vermutlich nicht bloss davon her, dass wir alles Gewohnte und Liebgewonnene loslassen müssen. Ich sehe auch die Angst vor dem Ungewissen, Unbekannten. Wir haben keine Bilder von der Welt in welche wir danach gelangen und so herrscht in unserer modernen Kultur auch oft die Angst vor dem absoluten Nichts. Aber vielleicht soll das so sein, da wir ansonsten in der Erwartung dieser wundervollen neuen Welt dieses Leben allzu oft frühzeitig verlassen wollten.

Die Ahnengalerie
Wenn ich mir überlege, dass ein ganzes gelebtes Leben mit seinen Millionen Facetten nun auf ein paar Bilder reduziert wird, dann ist das irgendwie erschreckend. Doch das Leben dient wohl nicht dazu, ein Archiv an abrufbaren Erinnerungen aufzubauen. Viel mehr ist das Leben selbst Sinn und Zweck. Es ist also nicht das Ziel das zählt, es ist der Weg. Und wenn wir am Schluss unseren Lebensteppich betrachten, dann zählen wir nicht die Knoten, sondern wir nehmen diesen leuchtenden Teppich als Ganzes wahr.
Und zudem ist eine Ahnengalerie noch immer irgendwie lebendiger als ein kalter Stein auf einem Grab.

Bär